Wie grün sind ist der EU-Aufbaufonds wirklich? Die Europäische Union hat mit der Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) ein gewaltiges Finanzpaket geschnürt, um die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie abzufedern und gleichzeitig den ökologischen Wandel zu beschleunigen. Ein ehrgeiziges Ziel, das jedoch, wie ein neuer Bericht des Europäischen Rechnungshofs zeigt, mit erheblichen Herausforderungen verbunden ist.
Der EU-Aufbaufonds – ein Instrument mit Mängeln
Der EU-Aufbaufonds sollte ein Katalysator für grüne Investitionen sein. Doch die Prüfer des Rechnungshofs stellen fest, dass die Umsetzung der Klimaziele in den nationalen Aufbauplänen mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist.
- Unklare Klimabeiträge: Die Zuordnung von Mitteln zu Klimamaßnahmen erfolgt über sogenannte Klima-Koeffizienten. Diese sind jedoch oft zu pauschal und führen zu einer Verzerrung des tatsächlichen Klimabeitrags einzelner Projekte.
- Grüne Waschung: Einige als grün deklarierte Projekte des EU-Aufbaufonds entpuppen sich bei genauerer Betrachtung als nicht oder nur unzureichend klimafreundlich. So wurde beispielsweise der Klimabeitrag einer Maßnahme zur Verbesserung der Wasserversorgung mit 40 % angegeben, obwohl das Geld tatsächlich für IT-Lösungen ausgegeben wurde.
- Mangelnde Transparenz: Die tatsächlichen Kosten einer ARF-Maßnahme können erheblich von den ursprünglichen Schätzungen abweichen. Eine abschließende Erfassung und Veröffentlichung der Ausgaben fehlt häufig.
Zweifel an der Effektivität
„Die ARF ist eine enorme EU-weite Investition“, betont Joëlle Elvinger, Mitglied des Rechnungshofs. „Doch es gibt nur wenige Anhaltspunkte, wie viel Geld direkt in den ökologischen Wandel fließt.“ Die Prüfer zweifeln daher an, ob die ARF tatsächlich ihren Beitrag zur Erreichung der ehrgeizigen Klimaziele der EU leistet.
Gründe für die Unsicherheiten
Die Gründe für die aufgezeigten Mängel sind vielfältig:
- Komplexität der Projekte: Viele Projekte des EU-Aufbaufonds sind komplex und schwer zu kategorisieren.
- Zeitdruck: Die Umsetzung der Aufbaupläne erfolgte unter erheblichem Zeitdruck.
- Mangelnde Datenqualität: Die Datenlage ist oft unzureichend, um eine genaue Bewertung der Klimaauswirkungen zu ermöglichen.
EU-Aufbaufonds auch mit Folgen für die Klimapolitik
Die Ergebnisse des Rechnungshofs werfen ein Schlaglicht auf die Schwierigkeiten bei der Umsetzung von klimapolitischen Maßnahmen auf EU-Ebene. Sie zeigen, dass selbst bei einem so großen Finanzinstrument wie der ARF die Gefahr besteht, dass Gelder nicht zielgerichtet eingesetzt werden.
Empfehlungen der Prüfer
Um die Effektivität der ARF zu erhöhen, empfehlen die Prüfer unter anderem:
- Detailliertere Bewertung von Projekten: Klimarelevante Projekte müssen künftig genauer und trennschärfer bewertet werden.
- Stärkere Verknüpfung mit Klimazielen: Künftige Instrumente sollten stärker mit den Klimazielen verknüpft werden.
- Abschließende Erfassung der Ausgaben: Es muss abschließend erfasst und öffentlich gemacht werden, wofür das Geld ausgegeben wurde.
Fazit: EU-Aufbaufonds mit großem Potenzial, aber…
Die ARF birgt ein großes Potenzial für den ökologischen Wandel in Europa. Doch die Ergebnisse des Rechnungshofs zeigen, dass es noch erhebliche Verbesserungspotenzial gibt. Um die Klimaziele der EU zu erreichen, müssen die Mitgliedstaaten ihre Anstrengungen verstärken und die Umsetzung der ARF genauer überprüfen.
Die Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) – Ein tieferer Blick
Entstehung und Zweck
Die ARF ist ein direktes Ergebnis der COVID-19-Pandemie. Angesichts der beispiellosen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen, die die Krise mit sich brachte, beschloss die EU, ein umfangreiches Konjunkturpaket zu schnüren. Dieses Paket, Next Generation EU genannt, hat die ARF als Herzstück.
Die primären Ziele der ARF sind:
- Wiederbelebung der europäischen Wirtschaft: Durch Investitionen in verschiedene Sektoren soll die wirtschaftliche Erholung beschleunigt werden.
- Förderung von Reformen: Die Mitgliedstaaten sollen dazu angehalten werden, strukturelle Reformen umzusetzen, um ihre Wirtschaften widerstandsfähiger zu machen.
- Beschleunigung des grünen und digitalen Übergangs: Ein wesentlicher Schwerpunkt liegt auf Investitionen in klimafreundliche Technologien und die digitale Transformation.
EU-Aufbaufonds Finanzierung und Umsetzung
Die ARF ist mit einem Gesamtvolumen von rund 700 Milliarden Euro ausgestattet. Die Mittel werden in Form von zinsgünstigen Darlehen und Zuschüssen an die Mitgliedstaaten ausgezahlt. Die konkrete Ausgestaltung der nationalen Pläne liegt in der Verantwortung der einzelnen Länder, wobei die EU-Kommission eine Aufsichtsfunktion übernimmt.
Die Mitgliedstaaten müssen detaillierte Aufbaupläne vorlegen, in denen sie darlegen, wie sie die Mittel einsetzen wollen. Diese Pläne müssen von der Kommission genehmigt werden und enthalten konkrete Ziele und Meilensteine.
Klimafokus und Umweltziele
Ein zentraler Aspekt der ARF ist die Förderung von Klimamaßnahmen. Mindestens 37% der Mittel müssen für Projekte verwendet werden, die zum Ziel der Klimaneutralität bis 2050 beitragen. Um sicherzustellen, dass dieser Anteil eingehalten wird, wurde eine spezielle Methodik zur Nachverfolgung der Klimaausgaben eingeführt.
Warum gerade 37%? Diese Zahl wurde nicht zufällig gewählt. Sie spiegelt den politischen Konsens wider, dass die EU ehrgeizige Klimaziele verfolgen muss. Gleichzeitig soll dieser Anteil auch sicherstellen, dass die ARF nicht nur auf Klimaschutz ausgerichtet ist, sondern auch andere wichtige Bereiche wie die digitale Transformation berücksichtigt.
Umweltziele über den Klimafokus hinaus: Neben dem Klimafokus umfasste die ARF ursprünglich auch eine Methodik zur Nachverfolgung allgemeiner Umweltziele. Diese Methodik wurde jedoch in der Praxis nicht genutzt. Dies deutet darauf hin, dass der Fokus stärker auf den Klimazielen lag und andere Umweltaspekte möglicherweise weniger stark berücksichtigt wurden.
Herausforderungen und Kritik am EU-Aufbaufonds
Die Umsetzung der ARF ist mit zahlreichen Herausforderungen verbunden:
- Definition von Klimamaßnahmen: Was genau als Klimamaßnahme gilt, ist nicht immer eindeutig.
- Messbarkeit von Erfolgen: Die Messung des Erfolgs von Klimaprojekten ist komplex und erfordert geeignete Indikatoren.
- Koordinierung auf EU-Ebene: Die Koordination der zahlreichen nationalen Pläne ist eine große Herausforderung.
- Risiko von Greenwashing: Es besteht die Gefahr, dass Projekte als grün deklariert werden, die in Wirklichkeit nur geringe oder gar keine positiven Umweltauswirkungen haben.
Kritikpunkte:
- Mangelnde Transparenz des EU-Aufbaufonds: Die genaue Verwendung der Mittel ist nicht immer transparent.
- Bürokratische Hürden: Die Antragstellung und Genehmigung von Projekten ist oft mit bürokratischen Hürden verbunden.
- Zeitdruck: Die Umsetzung der ARF erfolgt unter erheblichem Zeitdruck.
Die ARF ist ein ehrgeiziges Instrument, das die EU in eine nachhaltigere Zukunft führen soll. Allerdings ist die Umsetzung mit zahlreichen Herausforderungen verbunden. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die ARF ihre Ziele erreicht und welche langfristigen Auswirkungen sie auf die europäische Wirtschaft und Gesellschaft hat.
Der Sonderbericht 14/2024 “Ökologischer Wandel: Beitrag der Aufbau- und Resilienzfazilität ist unklar” ist auf der Website des Europäischen Rechnungshofs abrufbar.